25.03.2013 Tansania – Big 5 und Abschied von Hubert

Heia Safari
Schon seit Tagen führen wir informelle Gespräche, was wir in den 3 Tagen in Arusha anstellen. Mir ist klar: ich möchte die wilden Tiere Afrikas sehen. Schnell finden sich 6 ‚elder statesmen‘ mit den gleichen Interessen zusammen. Unter der Leitung von Alex Beraskov, einem Kanadier, Hubert, Roger, einem weiteren Schweizer, der in Nairobi hinzukam und ebenso pensionierter Französischlehrer ist (mit seiner konvivialen Art erinnert er mich an Francis). Komplettiert wird die Runde durch den in Australien lebenden und einen rheinischen Slang sprechenden Volker und den Dänen Klaus, der mit seiner neuen Hüfte kaum gehen kann aber Fahrrad fährt wie ein Teufel. Wenn ich die wenigen Jahre unseres Massai-Fahrers Oli hinzuzähle, kommen bei unserer Combo locker 400 Jahre zusammen. Oli ist ein cooler Typ mit Ohrlöchern, durch die ein 2-Eurostück hindurch fällt.

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Gleich am nächsten Tag brechen wir zu einer 3-Tage-Safari in 3 Nationalparks auf mit 2 Übernachtungen in Super-Lodges mit Halbpension (für knapp 500Euro).

1. Tag: Tarangire National Park: Natürlich wird zu Beginn jede Gazelle und jedes Zebra bestaunt und geknipst. Was mich noch mehr als die Tiere beeindruckt sind die riesigen Baobabs (Affenbrotbäume).

2. Tag: Ngorongorokrater: Auf dem Boden des Kraters -eine Grassteppe- leben die Tiere zusammen wie in einem Zoo. Nur zu den Löwen halten die anderen Distanz. Vor den Schakalen scheinen sie keine Angst zu haben. In der Mitte ist ein See, in dem Flamingos zu Tausenden stehen. Absolut beeindruckt kehren wir abends in die Sopa- Lodge ein und sind noch sprachloser. Auf dem Rand des Kraters gelegen erleben wir einen sagenhaften Sonnenuntergang. Leider hat die Kamera schon tagsüber ihren Geist ausgehaucht. Spät abends bekomme ich noch einen Lachanfall: Als ich meine Bettdecke zurückschlage, liegt da eine Wärmflasche- bei Tagestemperaturen von über 30°.

3. Tag: Manyara-National-Park: Am Eingang sehen wir, dass der Film ‚Hatari‘ mit John Wayne und Hardy Krüger hier gedreht wurde. Die 6 älteren Herren sind beeindruckt, jedoch schon sehr müde und nicht mehr aufnahmefähig. Wir dösen oder schlafen in unserem Toyota-Landcruiser mit Panoramadach. Plötzlich werden wir aus unserer Lethargie gerissen. Oli ruft: ‚2 Leoparden‘. Lässig liegen sie auf Ästen in einem Baum. Just nun überkommt mich ein dringendes Bedürfnis und ich frage, ob ich mal raus dürfe. Oli sagt, ich könne ja unter dem Baum pinkeln, in dem die Leoparden ruhen. Das ist mir dann doch zu riskant und ich gehe aus der abgewandten Tür raus. Als die anderen sehen, dass ich lebend zurückkomme, huschen sie auch schnell raus.

Wir freuen uns, dass wir die Big 5 alle gesehen haben. Die Big 5 sind: Löwen, Elefanten, Nashörner, Giraffen und eben Leoparden.

Müde aber sehr zufrieden kehren wir nach Arusha zurück. Die Tiere in freier Wildbahn und in so großen Populationen gesehen zu haben ist doch was anderes als ‚ene Besuch im Zoo‘!

Regen in Afrika
Wasser bzw. Regen sind ja ein Lebenselixier. Beim Radeln kann man aber gerne drauf verzichten, vor allem, wenn man mit dem Zelt unterwegs ist. Seit Arusha und die zwei Etappen davor auch schon, kann man die Uhr danach stellen. Spätestens um 5 Uhr nachmittags öffnet Petrus die Schleusen mit dramatischem Wetterleuchten, Donner, Blitz und Starkregen. Es wäre ein schönes Naturschauspiel, wenn da nicht die Sorge um mein Zelt und alle darin untergebrachten Sachen wären. Beim Ridermeeting drängen sich die inzwischen fast 70 Leute unter dem Vordach des Dinnertrucks. Beim Abendessen ist der Boden schon eine Matsche und bald danach suche ich schon mein Zelt auf. Alles wird noch mal gesichert und dann geht der bange Blick gen Zeltdach in der Hoffnung, dass nichts von oben durch kommt. Beim Einpacken am Morgen ist der Schlafsack jedoch klamm, die Luftmatratze von unten nass und das Zelt wird klitschnass eingepackt. Ich hoffe inständig, dass die Regenzeit bald zu Ende geht.

Massai-Steppe
Massai-Steppe heißt dieser Abschnitt und einige Fotos dieses stolzen Stammes habt ihr ja schon gesehen. Unser Fahrer Oli sagte uns, dass sie ursprünglich aus Ägypten stammen. Er wohnt in der Stadt und trägt keine Massai-Tracht mehr. Die einzige Reminiszenz sind seine riesigen Ohrlöcher, die ihm im Alter von 8 Jahren zugefügt wurden. Seinen 3 Kindern möchte er das nicht mehr zumuten, sagt er. Auf den Dörfern und sogar bei der Feldarbeit haben die Massai ihren vollen Schmuck angelegt. Noch aus einem großen Selbstverständnis heraus.

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Von Arusha nach Mbeya
Wir fahren weiter südlich durch Tansania, was mal deutsche Kolonie war und Tanganjika hieß. 8 Etappen warten auf uns, davon 5 Offroad.

1. Etappe von Arusha nach Magugu 145km: Dort gehe ich morgens zum Klo und staune, dass, wo gestern noch 2 standen, nur noch eines steht. Geklaut heißt es beim Frühstück. Toiletten sind übrigens seit Mitte Äthiopien eine neue zivilisatorische Errungenschaft. Quadratisch und in olivgrün gehalten, stehen etwas abseits des Camps, 2 Zelte. Zuvor wurden mit Spiralbohrern 3 Löcher in den harten Boden gebohrt Der Grund: Wir werden von Dutzenden, manchmal von hunderten interessierten Zuschauern umlagert und es ist ja auch nicht angenehm für die Dorfbewohner, solche Art von Entwicklungshilfe von uns zu bekommen. Ich frage mich nur, was die Diebe mit so einem Sch…zelt anfangen.

2. Etappe von Magugu nach Katesh 95 km, 1401 HM

3. Etappe von Katesh ins Pumacamp: 119 km 815 HM – Good Bye Hubert
Bei Kilometer 90 kommen wir durch das Städtchen Singida, wo ich mir einen Vodacom-Stick kaufe und Hubert kauft sich ‚credits‘ für seine Gespräche nach Hause. Dann schlürfen wir noch eine Cola und machen uns auf den Rest der Strecke, wobei wir- nebeneinander herradelnd -quatschen und eine Art Halbzeitbilanz unserer Tour ziehen. Kurz vor Schluss schießen wir mit einigen ‚locals‘ noch Erinnerungsfotos und als wir das Camp schon fast sehen, macht Hubert eine plötzliche Lenkbewegung und stürzt hart zu Boden. Eine Wespe oder ein ähnliches Untier ist in sein Hemd geflogen und er hat sich schlicht erschrocken. Schnell kommt der Jeep und bringt ihn ins Lager.

Ciaran und Florian, ein deutscher HNO-Arzt aus Kanada, begleiten ihn ins Krankenhaus nach Singida. Als die beiden Begleiter zurück kommen, geben sie Entwarnung und sagen, daß nichts Ernstes passiert sei und Hubert bald wieder mittfahren könne. Heute, eine Woche später, erfahre ich, dass Hubert 4-5 Rippenbrüche hat und sein Becken dreimal gebrochen ist. In ein paar Tagen wird er von Nairobi nach Zürich geflogen. Ich bin total traurig, dass unsere Freundschaft so brutal unterbrochen wurde.

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4. Etappe: Puma-Camp nach Game-Post: 104 kM, 337 HM
Die Offroad-Etappen beginnen und wir ziehen wieder die dicken Stollen auf, die wir in der kommenden Schlammschlacht auch gebrauchen sollen. Heute lasse ich meine Wäsche waschen. Sie wird aufgehängt und danach geht ein Monsunregen runter, der sich gewaschen hat. Meine Wäsche nehme ich resigniert von der Leine. Sie wiegt jetzt 10 mal so viel.

5. Etappe: Game-Post nach Village-Camp: 113 kM, 800 HM
Nicht nur meine Wäsche, sondern auch die Strecke sind die Leidtragenden des Monsunregens. Busse, LKWs, PKWs bleiben im Schlamm stecken. Wir umtragen die Fahrräder und fahren weiter. Nach kurzer Zeit passt der angestaute Schlamm nicht mehr durch die Fahrradgabelöffnungen und wir schauen fassungslos drein. Wir kratzen ihn mit den Händen ab und irgendwann wird der Weg etwas fester und es geht weiter. Nach dem Lunch-Stopp kommt sogar die Sonne raus und wir fahren die Etappe zu Ende.

6. Etappe: Village-Camp nach Manyaka: 125 kM, 866 HM
Beim ‚Ridermeeting‘ steht auf der Tafel ‚Be prepared on Mud Drama‘ ! Was? Soll es noch schlimmer kommen? Die Matsche ist heute nicht so tief, dafür ist sie verteilt auf die ganze Strecke. Es ist ein Kampf über den ganzen Tag, doch am Ende kommt die Sonne raus und auch dieses Drama ist geschafft.

Neben dem Camp ist eine Schule, der ich einen Besuch abstatte (Entzugserscheinungen?) Der Direktor steht vor den ca. 200 Schülern. Diese sitzen draußen auf Rundhölzern. Der Direx unterbricht sofort, begrüßt mich, stellt mich vor und ich erzähle von meiner Reise. Er übersetzt in Kisuaheli, denn hier sind die Klassen 2-7 versammelt und die verstehen noch kein Englisch,

7. Etappe: Manyaka nach Makongolosi: 120 kM, 1077 HM
Natürlich gehen nachmittags und nachts weiterhin Schauer danieder, jedoch nicht tagsüber. Die Sonne lässt auf der Straße schwül warme Dampfschwaden aufsteigen und wir haben es nur noch gelegentlich mit Schlammpfützen zu tun. Ich genieße die Sonne und lasse es langsam angehen am Ende des Feldes. Ich lerne die neu hinzugekommenen Holländer Inge und Henry kennen. Im Gespräch vergeht die Zeit viel schneller. Henry nutzt die Cokestops gerne zu einer Zigarette. Er ist damit eine Ausnahme im Peloton.

Spät in Makongolosi angekommen, ist schon die halbe Dorfbevölkerung bei unserem Camp versammelt. Ein Teil des Fußballplatzes ist für uns reserviert und mit einem roten Faden abgesperrt. Alle Besucher, ob alt oder jung, respektieren diese Absperrung. Die Geschäfte zwischen uns und den Schwarzen werden hier an der Grenze gemacht. Hier verkaufen sie Bier und Cola. Ich erstehe einen vollen Wassereimer für 1000 Tansanische Schillinge (50Cent). Ich frage nach einer Schöpfkelle, um die Kopfwäsche besser dosieren zu können. Ein Mann nimmt kurzer Hand eine Plastikflasche und sägt sie mittig durch. Das ist meine Schöpfkelle. Dies ist nur ein Beispiel für das Improvisationstalent der Afrikaner. Mit meinem Eimer verziehe ich mich hinter ein Gebäude und will den Staub des Tages abwaschen. Als ich als Adam aufsehe, sind da bestimmt 50 Augenpaare auf mich gerichtet. Flüchten ist zwecklos, also beende ich meine Wäsche und frage mich nur, worin der Unterhaltungswert liegt.

8. Etappe: Makongolosi nach Mbeya: 111 kM, 2052 HM
Lieber Dennis, ich danke dir, dass du mich vor dieser Etappe gewarnt hast. Ich habe die Warnung ernst genommen und es war echt eine Hammeretappe. Es ist der 8. Radeltag in Folge und ich bin nicht mehr der Frischeste. Zügig komme ich zum Lunchstop, doch dann geht es nur noch bergauf auf einer Baustraße, die das Bike aufzuspießen scheint. Die Tachonadel fällt in den unteren einstelligen Bereich. Irgendwann erreiche ich die Passhöhe, die mit 2476 m angekündigt war. Auf einem Schild steht jedoch: ‚2950 m, the highest Truckpoint of Tansania‘. Wie immer, wenn man oben ist, freut man sich auf die Abfahrt. Oben auf den Alpwiesen stärken wir uns noch bei einem Markt mit Mohrrüben; das andere Gemüse ist roh nicht genießbar. Wir haben Hunger. Statt Berg runter ordentlich auf die Tube zu drücken, ist wieder nur eine einstellige Geschwindigkeit möglich.

Nach 10 Stunden komme ich in Mbeya an. Endlich Restday, der keiner ist: Reifenwechsel, Rad putzen, Bikeshop, Wäsche waschen. Dazwischen geht immer mal wieder ein Schauer runter.

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6 Antworten zu 25.03.2013 Tansania – Big 5 und Abschied von Hubert

  1. Lini schreibt:

    Hallo Kurti…man man bei dir ist ja was los.So langsam fehlst du hier schon bei den Familienzusammenkünften.Aber nun kriegst du ja bald Besuch von Timmi.Wir verfolgen dein Treiben gespannt und in meinem Freundeskreis hast du schon höchstes Ansehen erlangt.Ausserdem haben einige meiner Freunde deinen Blog in ihrem „Lesezeichen“ gespeichert und verfolgen deine Tour.“63 Jahre soll der sein, niemals“…du beeindruckst die Jugend 🙂 Ich sende dir liebe und herzliche Grüße.Komm bald wieder, gesund, munter und mit ganz vielen aufregenden Geschichten!
    Ade Ade Lini

  2. Jacky LE ROY schreibt:

    oui, il faut bien lire Henri est la traduction d’Hubert en français !

  3. Jacky LE ROY schreibt:

    Notre Survivor !
    Oui, nous aussi étions inquiets de ce silence de 11 jours !
    Nous avons pu imaginer un tas de catastrophes.
    Toutes plus folles les unes que les autres.
    Mais il n’y avait pas à imaginer ; la réalité des évènements de tes aventures
    dépassent de loin la fiction.
    La nouvelle la plus triste est l’accident d’Henry, une grosse perte de ton compagnon le plus proche !
    Les catastrophes climatiques, elles, renforcent votre challenge de sportifs plein de boue et d’humidité jusqu’aux os. Mais toutes tes péripéties rentrent dans cette super production en bande dessinées : l’épisode d’aller narguer les léopards en allant pisser sous leur arbre, par exemple fera un tabac !
    Maintenant, je me suis branché direct sur eBay pour voir quand ils vont vendre ta tente/Toilette dernière génération !
    Je vois aussi avec plaisir que même pas encore revenu en Europe, tu as a déjà commencé des séries de conférences du vieux baroudeur ! Bravo !
    Continue à nous faire rêver en nous envoyant les commentaires de tes aventures.
    Bises de nous 4.

  4. Hubert Steinhauser schreibt:

    Dear Kurt, ja der Blog ist wirklich der Hit. Ich werde die Reise auf diese Art miterleben koennen was mindestens „the second best thing is“. Besten Dank fuer die kontinuierlichen updates.
    Ich werde heute Nacht mit Swiss Business Class nach Zuerich Fliegen und ins Kantonsspital Zug zur Einweisung in eine Rehabilitation Klinik eingeliefert. Weiter bin ich zuversichtlich, dass ich diese Verletzungen bald durchgestanden habe und wieder aktiv sein kann.
    Take it easy but take it and enjoy the rest of your journey and most of all be safe. Pass my best regards to your son and the rest of the gang.
    Mit herzlichen Grüssel Hubert

  5. Susanne Hombergs-Rüther schreibt:

    Hallo Kurt,
    ganz herzliche Grüße aus Paderborn senden dir Werner und Susanne.
    Wir verfolgen dein Abenteuer seit Anfang an und freuen uns über die tollen Fotos und deine so interessant geschriebenen Texte. Bleib schön gesund und bis bald!

  6. Marc Blessing schreibt:

    Hallo Kurt,

    Ist ja echt spannend was aktuell so alles passiert bei euch.
    Jeden Tag schaue ich nach ob es einen neuen Bericht von Dir gibt auf dieser Seite.
    Bisher war es oftmals alle 4-5 Tage so, dass man etwas Neues lesen durfte. Jetzt waren es 11 Tage ohne etwas von Dir zu lesen und da hat man sich schon etwas Sorgen gemacht und gehofft, dass Dir nix passiert ist.
    Auch dein Sohn Jan wusste nichts Neues von Dir.
    Umso erfreulicher sah ich heute, dass du geschrieben hast.

    Wuensche Dir weiterhin Gute Fahrt & und freue mich auf die nächsten Berichte.

    LG M. Blessing

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